Seit einer Woche bin ich glücklicher Sony Fotograf – die neue 7R IV hat ihren Weg zu mir gefunden und ist mit einer Handvoll Linsen bei mir im Einsatz.
Weil ich öfters gefragt wurde was ich von der Kamera halte und wie es mir als Canon Umsteiger mit den Sony Sachen ergeht möchte ich hier meine Erfahrungen teilen. Eines gleich vorweg: Hier handelt es sich um meine rein subjektiven Eindrücke. Wer abfotografierte Siemens Sterne und Testcharts erwartet ist hier falsch.
Wen interessiert wie es mir mit den neuen Sony Sachen geht, was mir gefällt und was mich stört – und speziell wie sich die neue 7R IV schlägt der findet hier was er sucht.
Laufend kommen neue Kameramodelle auf den Markt, unentwegt wird weitergeforscht und entwickelt. Meine Anforderung an eine neue Kamera ist daher eine sehr hohe (und schwierige):
Die aktuell von mir verwendete Kamera muss die beste sein, die ich je verwendet habe.
Ich fotografiere viel im Studio, on Location, bei viel und wenig Licht, schnell bewegte und stationäre Sachen – ich brauche daher einen Allrounder der das alles abdeckt – und keinen Spezialisten der eines genial und das andere gar nicht kann. Als die Sony Alpha 7R IV vorgestellt wurde hatte ich sofort den Eindruck dass diese Kamera wieder ein solcher Allrounder für mich sein könnte.
Das System mit dem sich Sony bei mir messen muss ist Canon. Ich hatte viele Jahre lang die 5D II, die 5D III und bis vor einigen Tagen die 5Ds im Einsatz. Meistens drauf waren das 70-200 2.8 oder das 24-70 2.8 .
Nach vielen hunderttausend Bildern mit den Canon Bodies (ich müsste mal nachsehen ob es schon für die Million gereicht hat) bediene ich die 5er blind, brauche beim Einstellen nicht mehr auf die Kamera zu sehen und höre am Verschlussgeräusch ob die Belichtungszeit passt.
Davon wegzugehen hat mich ehrlich gesagt einiges an Überwindung gekostet. Ob es sich ausgezahlt hat erfahrt ihr in den nachfolgenden Zeilen.
Als erstes packt man das neue Teil aus und greift es einmal an. Was mir als erstes auffiel war die angenehme Größe. Meine 5Ds mit dem Hochformatgriff ist schon ein ordentlicher Brocken. Die 7R ist angenehm klein – und das finde ich toll. Um diesen Vorteil voll auszukosten kommt vorerst auch kein Hochformatgriff dran.
Mit den hochwertigen 2.8er Zoom Linsen ist der Unterschied dann schon nicht mehr so gravierend aber er ist noch da.
Canon hatte ja wirklich Jahrzehnte Zeit die Bodies der 5er anatomisch und haptisch zu perfektionieren. Sony kam mit den ersten 7ern relativ brachial und technisch daher. Das ist besser geworden – die 7R IV mutet immer noch sehr kantig und technisch an, aber die Bedienung funktioniert erstaunlich gut und das Gerät liegt angenehm in der Hand. Das hatte ich mir wirklich schlimmer vorgestellt.
Was sich nicht geändert hat: Nach einer Hochzeit mit der Canon haben mir ein zwei Finger weh getan – und auch bei der Sony hat das letzte Wochenende seine Spuren hinterlassen. Das ist normal – manuelle Beanspruchung – aber jetzt nichts was ein Konstruktionsfehler wäre.
Zum elektronischen Sucher hört man Unterschiedliches. Die einen vermissen das „echte Bild, unverfälscht durch einen Monitor“, die anderen freuen sich das Ergebnis schon vor dem Abdrücken sehen und beurteilen zu können. Ich gehöre ganz klar zur pragmatischen Gruppe. Der Sucher der 7R IV ist so hochauflösend dass man kaum das Gefühl hat auf einen Monitor zu sehen – und ich bin begeistert sofort alle Änderungen meiner Einstellungen angewandt auf das Motiv beurteilen zu können. Das ist für mich ein echtes Plus im Workflow. (Ich frag mich ob ich jemals meinen Belichtungsmesser brauchen werde den ich mir vor Jahren zugelegt habe und bei dem letztens wegen Nichtgebrauch die Batterien ausgeronnen sind)
Ein bisschen (und im Kleinen) fühlt sich das an wie der Schritt von der analogen zur digitalen Fotografie. Anfangs schreien alle, dass die Seele und das Handwerk verloren gehen – und dann machts ein Jeder weils einfach feiner ist und mehr Möglichkeiten bietet.
Ich komme von einer 50 Megapixel Kamera – und das war viel zu wenig. Endlich hab ich 60 zur Verfügung. (Achtung: Spaß!) Der Schritt hin zu den 60 war wie erwartet überschaubar (Ich habe eine Situation mit beiden Kameras geschossen – und musste am Mac mehrmals hin- und herswitchen um zu sehen welches Bild von welcher Kamera stammte). Wenn man die Auflösung braucht ist es traumhaft damit zu arbeiten. Ich drucke gerne groß – und jedes Pixel mehr lässt mein Printerherz höher schlagen. Man muss auf der anderen Seite dazusagen dass der Speicherbedarf auch enorm ist. Eine 128 GB Speicherkarte reicht für rund 1.100 Bilder. Auf eine kommende Fotoreise nehme ich daher mehr als 1 Terabyte an Speicherkapazität mit. Aber Hand aufs Herz – Speicher kostet ja nicht mehr viel – und das Potenzial der hohen Auflösung ist es mir einfach wert meinen Server wieder ein wenig aufzurüsten.
Was mir viel wichtiger ist als die Auflösung ist die ISO Performance der Kamera. Hier bin ich 5ds leidgeprüft – high ISO ist leider nicht drin und da ich doch gerne in etwas dunkleren Locations fotografiere war das immer ein großer Nachteil meiner 5ds. Umso gespannter war ich, als ich am Wochenende die Sony bei einem Karate Trainingscamp mitgenommen habe. Bei ISO 100 hab ich die Unterschiede suchen müssen (ich habe die selbe Situation mit beiden Kameras fotografiert und am großen Monitor zu Hause verglichen) – hier schenken sich beide Kameras nicht viel. Die erste Überraschung: ISO 1000 hat bei der Sony fast ausgesehen wie ISO 100. Bei ISO 10.000 war das Rauschen dann deutlich sichtbar, aber absolut noch im verwendbaren Bereich. Hier ist der Sensor ganz große Klasse und ermöglicht mir Sachen, die mit der Canon einfach nicht drin waren.
Ich geb es zu – ich bin verliebt. Der Augenfokus der Sony ist einfach der Hammer.
Das Arbeiten mit der 7R IV ist hier auf so vielen Ebenen besser als mit der 5Ds. Zuerst einmal trifft der Augenfokus gefühlt zu 99 Prozent das Auge (bei einem Testshooting mit 900 Bildern war der fokusbedingte Ausschuss bei ca. 5 Bildern) – die Quote hab ich persönlich (ich arbeite gerne mit Blende 2,8 oder 1,8) nie geschafft…
Dann ist dort wo ich das Auge aufgrund der Bildkompsition haben möchte immer ein Fokuspunkt und dieses lästige „Fokussieren, Schwenken, Abdrücken“ entfällt endlich. Es fühlt sich so an als wäre man endlich im 21. Jahrhundert angekommen.
Was das Fokussieren in schwierigen Lichtverhältnissen angeht kann ich sagen dass die Sony auch hier überzeugt. Im Gegenlicht oder wenn es on location langsam finster wird liefert die Sony weiter ab. Manchmal merkt man, dass es nicht mehr blitzschnell geht – aber die Ausbeute ist noch immer großartig.
Allerdings muss man sich mit den Möglichkeiten und Kombinationen der einzelnen Fokusarten intensiv beschäftigen. Einen halben Tag hab ich am Wochenende gebraucht um den Autofokus einmal so zu konfigurieren, dass er gemacht hat was ich wollte.
Sobald man das aber erledigt hat haut einen die künstliche Intelligenz in dem Gerät um. Mühelos hat die Kamera kämpfende Karateka fokussiert, Augen gefunden oder Personen verfolgt. Ich war wirklich weggeblasen. Hier hat sich enorm viel getan. Auch bei einem Shooting mit einem Model on Location hat mich der Augenfokus begeistert. Die Ausbeute an scharfen Bildern lag höher als bei offenblendigem „focus & recompose“ wie ich es gewohnt war. Es ist jetzt schon großartig mit dem System zu arbeiten – ich habe aber den Verdacht, dass ich es sogar noch besser an meine Vorlieben anpassen könnte. Hier werde ich mich noch tiefer reinlesen müssen.
10 Bilder pro Sekunde bei 60 Megapixel ist schon irre. Man produziert also pro Sekunde (wenn man wirklich draufhält oder einen Krampf im Auslösefinger hat) rund 1 GB Daten…
Ich gebe zu, dass ich das nur ganz selten brauche. Aber dann ist es große Klasse. Als älter werdender Karateka (ab 35 kann man in der Seniorenklasse kämpfen) bin ich bei den Meisterschaften schon öfters als Schiedsrichter, Coach oder einfach als Fotograf dabei. Bei einer so schnellen Sportart macht es oft den entscheidenden Unterschied ob man DAS Bild bekommt oder nicht.
Die Kombination aus hoher Auflösung und hoher Geschwindigkeit ermöglicht es mir, eine Kamera für alle Anwendungen zu haben – und das finde ich genial.
Gottseidank kann man die Geschwindigkeit aber im Menü reduzieren – ich brauche keine 200 Bilder von der Braut, die auf den Altar zuschreitet.
Einen kleinen Pferdefuß hat die Sache schon: während die Kamera den zugegeben enormen Puffer auf die Speicherkarten schreibt, kann die Kamera nur eingeschränkt bedient werden. Das klingt jetzt schlimmer als es im Livebetrieb ist – man kann weiter fotografieren und auch die Blende oder Verschlusszeit ändern. Aber andere Änderungen (beispielsweise ein anderer Fokus-Modus) können erst gemacht werden wenn der Puffer wieder leer ist. Das kann in gewissen Situationen ziemlich nerven (und einer Gruppe von 30 Personen zu sagen Sie sollen beim Gruppenfoto drei Sekunden warten bis man die Serienbildgeschwindigkeit erhöhen und wieder fotografieren kann war mehr als peinlich – drei Sekunden können richtig lang dauern) – und treibt einen in Richtung Kauf der schnellsten am Markt verfügbaren Speicherkarten. Da gibt es zufällig von Sony gerade welche die pro Stk und bei 128 GB 259,99 Euro kosten. Autsch – 500 Euro für zwei Speicherkarten? Das tut weh…
Nachdem die ersten Modelle der 7er als unheimliche Akkufresser bekannt waren war ich gespannt auf die Performance des neuen Modelles. Ich war gewohnt eine ganze Hochzeit mit zwei Akkus im Hochformatgriff schießen zu können. Deutlich über 2.000 Bilder waren kein Problem.
Auf einen Hochformatgriff hab ich ja verzichtet – die Akku Performance der neuen 7R IV ist großartig. Nach einem halben Tag Herumspielen, Einstellen und einigen hundert Bildern war die Akku Kapazität auf 60 % gefallen. Ein volles Shooting mit knapp 900 Bildern hat genau 50 % vom Akku gebraucht. Das hat mich beruhigt – so kann man arbeiten. Ich habe jetzt einmal drei zusätzliche Akkus besorgt – damit komme ich für meine Bedürfnisse sicher aus und ich habe genug Reserven.
Die Abdichtungen der Objektive hin zum Bajonett ist bei Canon besser gelöst. Hier schützt nochmals eine Gummilippe vor eindringendem Wasser oder Staub. Das finde ich ein wenig schade.
Das Sony 24-70 und das Canon 24-70 müssen in genau unterschiedliche Richtungen gedreht werden um „hineinzuzoomen“. Das kann man jetzt weder Sony noch Canon vorwerfen – aber ich muss mich erst an die andere Richtung gewöhnen – und beim reflexartigen Bedienen bei einem schnellen Karate Kampf dreht man dann anfangs fluchend in die falsche Richtung…
Ich habe jetzt einen in die Kamera eingebauten Bildstabilisator. Und das ist schwer genial. Beim Testshooting waren Bilder bei 1/15 Sekunde knackscharf. Bei 60 Megapixeln auf einem Vollformatsensor. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet – und ich bin schwer begeistert.
Die Sony Alpha 7R IV ist eine Wahnsinns-Kamera – und ja – sie ist die beste Kamera die ich je besessen habe. Ich hätte nicht gedacht, dass ich nach nur einer Woche damit arbeiten so begeistert sein würde – aber sie hat mich restlos überzeugt.
Es macht mir wahnsinnig Spaß damit zu arbeiten, ich platze fast vor neuen Ideen die ich damit umsetzen möchte – und somit hat sich der Wechsel für mich gelohnt.
PS: Es ist mir ein Anliegen mich bei Patrick Kis von Foto Schneider zu bedanken. So außergewöhnlich gutes Service, fachmännische Beratung, Zuvorkommen und Geduld bei meinen Sonderwünschen findet man äußerst selten. Dank dir, Sony Europe und Andreas Bitesnich habe ich vor meiner anstehenden Indien Fotoreise noch genug Zeit mich mit dem neuen Equipment vertraut zu machen. Danke!
(Nein, ich wurde für diesen Beitrag nicht bezahlt, meine Ausrüstung hab ich mir selbst gekauft)