Ich habs getan – letzte Woche habe ich mich entschieden nach 15 Jahren Canon auf Sony umzusteigen. Und jetzt warte ich gespannt auf die Auslieferung der Sony Alpha 7R4.
Aber von vorne:
Vor fast 15 Jahren begann meine (digitale) fotografische Reise mit der Canon 350D. Mit großen Augen blätterte ich fortan begeistert durch den endlos scheinenden Objektiv- und Zubehörpark und (damals noch als Student) erweiterte mit jedem Geburtstag, Weihnachten und Praktikum langsam meine Ausrüstung.
Die Entscheidung ob Canon oder Nikon war eine rein subjektive, die beiden Hersteller waren qualitativ auf einem Niveau (und Unterschiede hätte ich damals ohnehin nicht bemerkt)
Die 350D wurde von der 450D abgelöst (die ich übrigens aus sentimentalen Gründen noch immer habe – sie war ein Geschenk von meinen Studienkollegen zum Geburtstag).
Dann plötzlich landete Canon „den Coup“ – die sensationelle 5d Mark II kam auf den Markt. Ich war damals schon fleißig in den Studios Wiens unterwegs, durfte das Teil einmal testen und beim Betrachten der Bilder am Computer fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Also ab zum Händler und bestellen – was gar nicht so einfach war weil das Teil wegging wie warme Semmeln und die Wartezeiten lang waren. Einige Jahre und mehrere hundert tausend Bilder war ich dann sehr zufrieden. Die Shootings wurden aufwendiger, die Jobs größer und so kam der Wunsch nach einer Backup Kamera. Als die 5d Mark III kam holte ich mir die neue und hatte mit der 2er ein Backup und eine Zweitkamera für einen Second Shooter.
Wieder folgten ein paar Jahre glückliches Fotografieren, die Objektive wurden immer gegen die neuen Versionen getauscht und das System lief tadellos. Im Rahmen meiner Arbeit mit Andreas Bitesnich durfte ich dann einen Prototypen der neuen 5ds testen und war sofort begeistert – sodass ich gleich vorbestellte. Die 5ds ist ein Traum im Studio und die 50 Megapixel machen richtig Spaß (erst vergangene Woche durfte ich ein Landschaftsbild schießen das jetzt in 200 cm x 70 cm gedruckt und gerahmt wird – hier kommt es wirklich auf jedes Pixel an) Mehr zur 5ds
Vielleicht liest man es zwischen den Zeilen – ich war ein treuer Fan der ausgereiften und gut funktionierenden Geräte von Canon und hatte über die Jahre unheimlich viel Zeug angesammelt.
Aber wie IBM mit dem PC und Nokia mit den Smartphones hat Canon eine wichtige Entwicklung verschlafen – die spiegellosen Kameras.
Ich kann mich noch an eine große Fotomesse 2014 erinnern – als Sony die erste Alpha 7 präsentiert hat. Ich bin zum Stand gepilgert, hab mir das Gerät angesehen – Vollformat bei der Größe einer Kompaktkamera – und es war mir auf Anhieb sympathisch. Dann hab ich einen sich langweilenden Sony Menschen gefragt (wer weiß wie es auf den Messen bei Sony heute zugeht kann sich das gar nicht vorstellen) welche Objektive es denn für diese nette Kamera gibt, und er hat mir drei Stück auf den Tresen gestellt und gemeint: diese. Aber es kommen bald mehr. Unheimlich enttäuscht hab ich in einem Reflex gesagt: Dann sehen wir uns in fünf Jahren wieder. (Als hätte ich es gewusst)
Und ich muss sagen ab der Canon 5ds hab ich immer ein wenig auf die unglaublichen ISO Werte der Sonys geschielt, jedoch noch immer Gründe gefunden warum ich die Sonys nicht verwenden kann. (Nur ein Speicherkarten Slot, grottige Akkulaufzeit, kaum Wasserschutz etc.)
Und ich habe auf „den großen Wurf“ von Canon gewartet, mit dem sie aufschließen oder wieder in Führung gehen. Doch der kam nicht. Vor zwei Jahren hab ich mir dann selbst ein Investitionsverbot ins Canon System auferlegt (ich neige sonst dazu mich mit neuen Linsen oder Zubehör zu belohnen) – bis ich für mich die Systemfrage beantwortet habe. (Immer noch hoffend Canon würde die Kurve kriegen)
Dann war es so weit und Canon hat im spiegellosen Segment etwas versucht. Bestimmt keine schlechte Kamera – aber ich habe mich zurück erinnert an die Messe 2014. Kleine Auswahl an Objektiven, zahlreiche Kinderkrankheiten, ein Speicherkarten Slot etc.)
Das Wichtigste für mich aber: Ein neues Bajonett
Und da haben bei mir alle Alarmglocken geläutet. Das bedeutet dass ab sofort all meine bestehende Linsen aus dem „alten System“ sind, ein massiver Wertverfall einsetzen wird, und dass mein bestehendes Canon System schneller als erwartet einfach „veraltet“ ist. Aus Investitionsschutz Gründen durfte ich also nicht mehr in das alte System investieren. (Ausgehend davon dass das neue RF Bjonett das EF Bajonett ersetzt wie 1987 das EF seinen Vorgänger das FD Bajonett ersetzt hat)
Nebenher durfte ich immer wieder mit Andreas an großen Produktionen arbeiten – wo wir Sony verwendet haben. (So konnte ich auch die Phase One mit 100 MP kennenlernen – die ja Sony Sensoren verwenden – mehr dazu hier) Also war ich langsam das Handling, die Files und die enormen Möglichkeiten der Daten gewohnt. Nicht lange nach so einer Produktion hab ich wieder mal ein weibliches Modell geschnappt und bin in eine verfallene Location gefahren und hab mit meiner Canon für mein Portfolio fotografiert.
Und an dem Tag war es so weit. Die Location war finster, und die 5ds rauscht ab ISO 1800 ziemlich fies. Einige Shots konnte ich auch mit ISO 3200 nicht machen – und höher zu gehen macht mit der Kamera keinen Sinn. Eine Serie mit einem wehenden (geworfenen) Rock mussten wir X Mal versuchen, weil bei fünf Bildern pro Sekunde „der“ Moment eben nicht dabei war.
Beim Bearbeiten dann das nächste Ärgernis: aus der Portrait Serie war das beste Bild nicht am Auge sondern in den Haaren scharf.
Aus meiner Arbeit mit den Sonys weiß ich wie genial der Augenfokus funktioniert, dass ISO 6400 oder sogar 12800 noch absolut brauchbar sind und dass 10 Bilder pro Sekunde möglich sind wenn man sie einmal brauchen sollte.
Ich weiß schon dass der Fotograf das Bild macht und nicht die Kamera, aber wenn mich meine Ausrüstung bei meinen Ideen behindert (und nicht mein unzureichendes Können) – dann kann ich damit gar nicht leben. Fotografen neigen ja manchmal dazu die Beziehung zu ihrer Kamera zu romantisieren. Sollte das bei mir auch der Fall sein (gut möglich – auch Siegmund Freud könnte sich selbst nicht analysieren) – spätestens da war die rosarote Brille weg.
In dieser Woche hat – wie es das Schicksal in seiner fiesen Art so gerne macht – Sony die neue Alpha 7R4 vorgestellt, die auch die letzten Kleinigkeiten ausgebessert hat, die mich noch ein wenig gestört haben (besserer Griff, zwei schnelle Speicherkartenslots, bessere Abdichtung)
Also einmal darüber geschlafen und den Patrick Kis angerufen. Ich würd gern mal vorbeikommen mir ein paar Sony Sachen ansehen.
Bis Ende Juli gabs eine Cashback Aktion (jaja das Schicksal) – und so kam es dass ich jetzt eine Menge Sony Objektive zu Hause habe und auf die neue 7R4 warte.
Meine Fotos werden dadurch nicht besser werden (hach wenns so einfach wäre), aber es wird mir wieder mehr Spaß machen, ich kann Sachen ausprobieren, die bisher nicht möglich waren, und die Kreativität und das „Spielen“ kommen wieder zurück. Und das ist es mir auf jeden Fall wert. (Der Finanzler in mir rechtfertigt alles mit dem Schutz der Investition durch ein zukunftsträchtiges System, der alte Mann in mir durch das leichtere Gewicht und den älter werdenden Rücken und das kreative Kind in mir läuft vor Freude mit großen Augen im Kreis und kann es kaum erwarten)
Also willkommen im Team Sony!